Komische Volksballade
Längst erwachsen meckert Hänschen,
sie wüchsen nicht, jedoch er ackere,
rupft ewig nur magere Pflänzchen,
stopft sie zornig in seine Schubkarre.
Wie oft er beackere seinen Acker
für seine lahmwüchsigen Pflänzchen;
warten, o warten, wäre allzu wacker,
größer würden sie nämlich nie, denn
Hänschen will zeitig versorgt sein,
Wachsen aber bringt schnell Sorge ein.
Ach ein Lied davon er singen könne,
klagt Hänschen über seine Pflänzchen.
»Na dann endlich dir ein Lied gönne!«
ruft, von dem Nachbar-Acker, Hans,
der langsam nicht mehr hören kann’s.
Dass doch aber kein Lied vergnüge,
meckert Hänschen, ihm doch genüge
schon lange nicht mehr, was er ernte;
sieht auf sein Pflänzchenhäufchen, dem
auch noch das Meckern was entfernt hat.
Ohne Lied muss Hänschen bald tanzen,
wegen Hans, meint er aus schierer Wut,
allein schon wegen des Hans Pflanzen,
immer seien die groß, kräftig, so gut.
»Aber Hänschen, doch nicht immer!«
ruft Hans. »Schau genau her!
Viele kleine schaffen es mir nimmer!
Versuch dir bitte vorzustellen,
die großen hatten es folglich schwer!«
Hinschauend, beruhigt sich Hänschen,
ja, ihm selbst gediehen alle Pflänzchen.
Aber trotzdem dürfe ihm sagen Hans,
wie nur gelinge zum Beispiel so eine,
diese da, eine so schöne große Pflanz’.
»Diese Pflanz’«, erzählt ihm Hans,
»ist mir Arbeit gewesen bis zum Lied,
Schmerz, tief und unausweichlich,
heute große Freude nach sich ziehend,
wie sie mit einigen anderen erblüht,
umgeben von Pflänzchen reichlich.«
Wozu bloß habe er eine Frage gestellt,
wendet Hänschen verständnislos ein,
was solle das für eine Antwort sein;
die Anleitung für die Pflanzenwuchse
er darin doch völlig vergebens suche,
Hans rede ja nur von sich und der Welt.
»Weißt du«, erwidert Hans, »ich mag,
wenn jemand bewusst von sich erzählt,
nicht vom Acker meckert Tag für Tag.
Ich weiß längst, dass dich was quält.«
Hänschen meint, Hans habe eine Macke.
Man müsse meckern über den Acker.
Nichts sei anstrengender, zumal weniger
einbringender als der eigene Anbau,
und Hans mit der Große-Pflanzen-Schau
habe ja nur Glück als … als Romantiker.
»Okay Hänschen, komm rüber, pflück«,
fordert Hans ihn eben ganz einfach auf.
»Und pflück dir gleich meine Allerbeste.
Findest eine, änderst du mein Weltbild
und ich steck sie dir an die Arbeitsweste.«
Sagend: Ein solches Angebot im Leben
könne man doch einfach nur annehmen,
ist Hänschen schon unterwegs, betritt
den Hans-Acker, uh, mit Wankeschritt;
Boden habe er aber schon fester erlebt.
Hänschen greift nach der größten Pflanz’,
schön selbstverständlich, aber daneben.
Na nu, sie habe sich vor ihm weggebogen,
versichert er, und beim nächsten Griff:
Da, schon wieder habe sie es, ungelogen.
Um ihre Größe habe sie ihn eh betrogen.
»Gar einfach genommen für sich allein«,
sagt Hans nachdenklich zu Hänschen,
»wäre jede noch so große Pflanze klein.«
Der geht zurück zu seinen Pflänzchen.
Na ja, sei mal gewesen ganz interessant,
räumt er dennoch ein dem guten Hans.
Ein außerordentlicher Hans, lernend,
was selbst Hänschen lernt nimmermehr,
dem Volksmund ausnahmsweise verquer.
Hänschen erntet lieber weiterhin sicherer.
Bianka Frohberg
sehr gut
2.04.2011 12:45
Veit Pakulla
Danke Bianka!
3.04.2011 10:31
Hans Vogel
Lieber Veit,
danke für dieses großartige gedicht, passt hervorragend
glg Hans
27.07.2011 22:40
Veit Pakulla
Freut mich, dass es dir gefällt, Hans! Tatsächlich hat mich bisher noch keiner deiner Namensvettern wissen lassen, ich sei ihm mit dem Gedicht zu nahe getreten. Der Name Hans war früher weit verbreitet, wurde infolgedessen synonym mit ›Mann aus dem Volke‹ verwendet. Gemeinsam führen Hänschen und er vor, wie unterschiedlich be(auf)gabt man aus dem bzw. im Volk ist.
28.07.2011 00:36