Von dem Berg der freien Entfaltung
höre ich alles andere als Enthaltung –
eine Bücherlawine herniedergrollen!
Starkes Summen dazu! Über alle Grenzen hinaus digital!
Bloß weg hier! ist meine sofortige Wahl,
zermalmt, überschallt unter diversen Titeln gegen Tal
könnte ich nicht ein Buch mehr lesen wollen!
Lauter und lauter Beben, Summen, Grollen!
Mir gar die rennend’ Glieder frieren!
Nur keinen Blick hinter mich verlieren!
Einer Lawine entkommt man nicht!
Hab ich aus ’nem Überlebensbuch, hech.
Nicht genug, die Bücher haben Wäldergewicht!
E-Books in Strömen dazwischen, die heiß sind!
Hech, mich am Berg der freien Entfaltung rumtreiben,
hech. O wird’s mich mit sich reißen!
Im Wissen, viele Menschen schreiben, hech.
Ist’s mein Leben? keuch, werdend leiser?
Denke, keuch, kann – mich hinschmeißen.
’s ist die Lawin’, prasselt, keuch, schnurrt sich heiser.
Hier liege ich, am Bücherberghang, erleichtert leer.
Bis zur Bücherlawine schwappte ein Meer
von Stimmen, ich sollte das meiste noch lesen.
Es ist das empfehlende Stimmenmeer gewesen.
Ich blicke auf die unfassbaren Büchermassen,
und hoch zu Stapelwolken aus Digitalbücher-Plasmen.
Das kannst, sag ich mir, nicht alles liegen lassen!
Auf Bücherhügeln und aus Büchergräben,
ebenfalls kreuz und quer in den Bücherebenen,
unter E-Books-Strahlen und im E-Books-Regen
finde ich Werke, sich lohnend zu heben,
von gehört, von gelesen oder nie zuvor gesehen.
Was Rezensionen verrissen oder hochgejubelt,
heb ich mit Vorsicht auf.
Grobe Orientierung nehme ich eher in Kauf
durch differenzierende Kritiken.
Im Prinzip in jedes Buch kann ich hier selber blicken.
Mich dafür leider nicht durch Übersichten klicken.
Manchen leichten Lesekram
ich meiner quirligen Nachbarin mitnehmen kann.
Ich guck da nur kurz rein.
Au, ist mein Rücken hochbestapelt zu spüren!
Und tropft mir der Schweiß!
Au, ist mein voller E-Book-Reader heiß!
Aber interessante Lektüren!
Zu diesem zahllosen Preis.
Der Ball, um den mein Leben sich dreht,
der meine Freizeit erhebt,
ist keiner vor den Fuß.
Doch da! Sportschuh leinwandgroß – und Tor!
Alle machen es alle vier Jahre jubelnd vor
und ich bin also wieder mit dabei.
Liebe Mitzuschauer, liebe Biernachbrauer,
haltet die Public-Viewing-Wand frei!
Mütter mit Kinderwägen und Freundinnen
hörte ich den Eismann drängen vorhin,
das Spiel fange bald an.
Im Viertelfinale sie eingestiegen,
viele andere Deutsche mit Deutschland dringeblieben.
Im Halbfinalspiel ist unser einziges Tor früh dran –
bleibt das einzige! Führt zu gnaden-ausnahmslosem Fußballwahn.
Fußballfreizonern sowieso keine Straße zum Befahr’n.
Ich schmier mir keine Flaggen auf die Backen,
lass Fähnchen weder flattern noch wackeln,
bin einfach Bier trinkender Public-Viewer;
der Duden schreibt schon Rudelgucker.
Werd gestupst, umarmt von Bunten und Lauten,
viele dröhnen aus Sirenen und anderen Minibauten;
mein Kumpel genießt’s mit seiner Frau zuhause.
Jetzt ruft er an, ob ich gesehen hätt’, wie sehr Müller ran.
Märchen oder Sommermärchen?
Die Wetten sträuben jedenfalls immer Härchen.
Sieger und Vizesieger sind noch nicht raus.
Wir werden sehen, was wird draus.
Entweder kann es nicht wahr sein,
dann wäre das hier im falschen Jahr Reim.
Oder unsere Massen final zelebrieren, es wird etwas,
dann bräuchte keiner diesen Lesespaß.
Fasziniert vom neuen Namen LOKUS
die Leser auf ihre Online-Zeitschrift starren, und das nicht zu gering.
Keiner glaubt an Hokuspokus,
doch jedes noch so gut erzählte Star-Ding,
jedes Geschichtchen über Everybody’s Darling,
jeder die Öffentlichkeit nervende Beharrling
ist vereint unter neuem Digicover,
drauf megasexy Supermodel Chanell Cocuss
und Buchstaben in Gold, die frohlauten LOKUS.
Sogar der weltgewandteste Technikfan nicht gleich checkt,
was hinter dieser kurios coolen Neubenennung steckt:
schlicht und ergreifend eine Mobilgerät-App,
über Funkmasten und Satelliten World Wide Web.
LOKUS wird fast ausschließlich gelesen auf Klo.
Dergestalt Geschäftliche vor Begeisterung umhaut
ihre Lektüre, die frisch benannt nach einem sehr gewohnten Leseort.
Nur manche das Erfassen regelmäßiger Aufenthaltsorte stört.
Im Hintergrund Statistik, wie lange erfahrungsgemäß gebraucht wird
für den Stuhlgang und der Stuhlgänger jeweils die Touch-App berührt.
Mehr und mehr Leser auf den Toiletten
in soziale Netzwerke ihren LOKUS tippen,
wo die Profil-Timelines fleißig weiterleiten,
haargenau zu brandneuer Leser Toilettenzeiten.
»LOKUS – Beim Natürlichsten wir Spaß bereiten!«
so der Slogan, bei Lokalität Erinnerungston den meisten,
in allen Sprachen sich um den Planeten verbreitend.
Rasant ist es out, ohne die Welt der Stars zu scheißen.
Die Uhr hebt den Zeiger.
Das Ur hebt die Zeit her.
Der Urheber zeigt wer
er ungefähr, halb Feder, aus dem Uraltwerk.
Draus, dran puzzelt und huschelt es,
sucht sich, mich, uns, dich, Sie, euch vor riesigem Verberg,
verschieden lebensecht früheren und neuen Schöpfern.
Meist sieht man die berühmten ihrer bruchstückhaften Köpfe an,
je als spüre man den Moment aus einer Hand,
und spürt doch vieler Menschen Band.
Die meisten Werke und allermeisten Werkel
kaum wahrgenommen aus der Nähe wie in der Ferne.
Lesen, hören, erspüren, riechen, gebrauchen, schauen
zum Innehalten, Spaß, Vorbeigehen, Ertragen oder Abhauen.
Ob Größe aus dem Uraltwerk, Mittelmaß oder Zwerg,
weder alle Kreativen sich vor großem Publikum auffinden
noch, selbst wenn publik um und um, auf Haufen von Tantiemen.
Anerkennung, Ruhm, zuweilen posthum,
verleiht Urhebern, den Erben Einkommen, Eigentum,
sogar neben und infolge von Gratisboom.
Wovon prekäre Schöpfer leben? Die Antwort heißt: »No secret«,
brauche ich im Gedicht nicht zu geben.
Wer Kreativen kein Geld geben kann, bekommt im Netz so.
Wer ihnen zurückgeben könnte, hier nicht muss wie anderswo
zahlen und kann doch zahlen, einen Betrag eigener Wahl.
Kultur, un- sowie frei bepreist, eine aus frischer Naturquelle,
auf Weiterantriebswelle dank noch nie ganz sicheren Besitzes,
des großen Menschensitzes auf Gesetzchen.
Die Urheberkästen einander und allen andern machen vernetzt Sinn,
selbst wenn mal einer vom anderen umbenennt, verletzt ihn
oder es danach aussieht, weil Autarkes Paralleles kennt.
Wer bleibt für sich? Bleibt ohne irgendeinen Gewinn?
Was beziehungsweise wie viel käme genau hin?
Das Jahr hat weitaus weniger Tage
als ich Freunde zum Beispiel bei Facebook habe.
Zu vier Geburtstagen heut nicht gratuliert!
Gestern wiederum zu drei!
Glücklicherweise scheint niemand beleidigt,
solange einfach Interesse und netzwerken im Vordergrund steht,
man Bekanntschaften und Freunde unterscheidet,
die man aus dem Real Life kennt
oder dahin mitzunehmen gedenkt.