kritisch

Hotel Mama

Okt 2007

Selbst­stän­dig. Ein rich­ti­ger Mann.
Wel­cher Junge will’s nicht wer­den?
Im Prin­zip auch mein lie­ber Ju­lian.
Och ja, sein Kopf is’ heut so schwer.

Wasch ex­tra T-Shirts ihm und So­cken.
Lie­gen in sei­ner Bude auf’m Bo­den.
Da muss ich mich wie­der hin­ter­ho­cken.
Draus die schmutz’gen noch vorholen.

Heut könnt’ er mal die Die­len wi­schen,
könnt’ vor­her gleich so rich­tig auf­räu­men.
Er musste ja schließ­lich »Biere zi­schen«,
noch dazu die Was­ser­pfeife auf­schäu­men
mit sei­nen Kum­pels, bis in den Mor­gen.
Die vie­len Leer­fla­schen wä­ren zu entsorgen.

Mit der Bitte bin ich mal nicht zu hart.
Erst mal gibt es näm­lich Mit­tag.
Beim Jun­gen gäb’s nur Chips und Flips,
bä, noch ge­tunkt in fer­ti­gen Salsadip.

Och, der Arme, hat ’nen ziem­li­chen Ka­ter.
Jetzt hab ich ihm wie­der ’s Es­sen ge­bracht.
Ein­mal wird er sich sel­ber wel­ches ma­chen,
ganz be­stimmt, und nicht wie sein Vater.

Dem Jun­gen es heut wie­der ge­schmeckt hat.
Na, das möcht’ ich al­ler­dings wohl mei­nen.
End­lich kommt er aus Bett, of­fen­bar satt.
Och, aber noch so wack­lig auf den Bei­nen.
Ich mach ihm die Stube. Geht ja schnell.
Kann er in Ruhe biss­chen bal­lern am PC.

Die bunte Gefahr

Sep 2007

Ein Schmet­ter­ling
will un­ge­stört um­her­flat­tern.
Laut ei­ner Theo­rie
könnte er die Welt er­schüt­tern,
durch das Flü­gel­flat­tern.
In­ter­es­siert ihn nicht.
Der Ver­fol­ger nur ist hinderlich.

Ein rei­ner Theo­re­ti­ker
schwingt und schwingt,
musste sich vom In­sek­to­lo­gen
heim­lich ei­nen Ke­scher bor­gen,
schwingt und schwingt
fa­na­tisch ängst­lich
nach dem Schmet­ter­ling,
der in der Luft Schlei­fen dreht,
sich in­stink­tiv ra­sant be­wegt,
vor ihm weit in den Him­mel entflieht.

Oje, der reine Theo­re­ti­ker
ver­folgt noch viele Schmet­ter­linge,
äußerst ak­tiv, da­mit ihm kei­ner
wo­mög­lich ein Un­heil bringe.

Der schöne Ferrari!

Sep 2007

»Scheiß­tag!« flucht ein Ob­dach­lo­ser aus sich raus,
in­ner­lich die Frage, was der wohl noch bringt,
so ’n Scheiß­tag! Die Pas­san­ten wei­chen ja nur aus,
wo die Geld­sam­mel­dose un­ge­heuer leer klingt!
Die De­cke zu­sam­men­rafft der Gute heute er­bost,
we­nig ge­bracht das Bet­teln, das trau­rig nette;
auf macht er sich, zu sei­nen Kum­pels, auf’n Prost.
Zu be­geh­ba­rem Geh­weg wird die Bettelstätte.

’ne Pulle Alk ein­ge­kippt, vorm Ge­trän­ke­dis­coun­ter,
er­blickt er aus Frust bloß Mit­tel­schicht zu­hauf.
»Gibt’s auf’m Park­platz was zu gaf­fen!« po­saunt er.
»Auf irgend’n fla­ches Auto glot­zen die drauf!«
Wie man die Leute jetzt erst rich­tig stau­nen sieht,
als vor ih­nen ei­ner auf­taucht, der Ob­dach­lose,
ex­trem nahe an dem knall­ro­ten Fer­rari vor­bei­zieht
und es knirscht, im Lack, die Geldsammeldose.

Ein paar grin­sen, die al­ler­meis­ten gu­cken ver­dat­tert
den Krat­zer, den Ob­dach­lo­sen, den Krat­zer an.
Hin­ten­her ein Ein­kaufs­wa­gen klim­pert und rat­tert,
ge­scho­ben von ei­nem Mil­lio­när, der bald kann
nicht ein Stück wei­ter schie­ben, muss blei­ben ste­hen.
Der Übel­tä­ter ängst­lich die At­mo­sphäre spürt,
in der die Leute bes­ser schon mal wei­ter weg ge­hen;
ren­nen will er nur, aber vor Zit­tern sich nix rührt.

Es springt der Mil­lio­när aus sei­nem star­ren Ein­halt,
den Ein­kaufs­wa­gen bei­seite schleu­dernd. Klirr,
draus schäumt ein Kar­ton Cham­pa­gner auf Asphalt.
»Wer hat mei­nen Fer­rari zer­kratzt wel­cher Irr’?!«
Auf den Ob­dach­lo­sen zei­gen ei­nige An­we­sende flugs.
»Was hast du ge­tan! Du wahn­sin­ni­ger Aso­zia­ler!«
Der schlu­ckende An­ge­schriene äußert ei­nen Glucks.
»Das ist ein Fer­rari für ganze 700 000 Europataler!«

Wohn­blö­cke weit reicht nun des Mil­lio­närs Ge­schrei.
»Sie soll­ten sich schleu­nigst wie­der ein­pe­geln!«
brüllt eine Frau, äußerst selbst­si­cher, von der Po­li­zei.
»Das kön­nen wir doch wie Men­schen re­geln!«
»Mei­nen Fer­rari hat der zer­kratzt! Da! Se­hen Sie?!«
»Oha«, sagt die Po­li­zis­tin, be­äu­gend den Krat­zer,
»aber dass der Arme das war, glaub’ ich Ih­nen nie.«
Da ru­fen Leute über den Park­platz: »Doch, er!«

Die Po­li­zis­tin fragt: »Warst du es? Das be­zeu­gen alle«,
den Ob­dach­lo­sen, kennt ihn von der Streife her.
»Was ist pas­siert? Wa­rum hast du das ge­tan? Kalle.«
»Scheiße, Scheiß­tag, meine Dose is’ scheiß­leer,
wollt’ was zum Sau­fen mir hier kau­fen und, und wollt’
denn zur Park­bank, se­hen ge­hen meine Kum­pels;
gleich war jetz’ was, was ich ge­macht ha­ben ge­sollt,
’s macht ’ne Scheiß­angst, am Herz’ rumpelt’s.«

Der Mil­lio­när noch mal über die Kratzer­stelle wischt,
von der Po­li­zis­tin ge­fragt: »Geht er weg­zu­ma­chen?«
»Geht nicht, ver­flix­ter Mist, er­statte An­zeige« zischt.
»Ein so Rei­cher wird doch kön­nen drü­ber la­chen?«
in der schau­lus­tig’ Men­schen­menge vor­sich­tig wis­pert.
Der ob­dach­lose Kalle, un­si­cherste Frei­heit sein Los,
und in der en­gen knis­tern­den Si­tua­tion der, der knis­tert,
stot­tert: »Herr Mi’onär! 2 Euro! Da drin in der Dos’!«

Zwei Jahre sind ver­gan­gen, als nun der Rich­ter spricht:
»Rein for­mal, mut­wil­lige Sach­be­schä­di­gung, so­weit.
Wes­we­gen muss so ein Fall kom­men vor mein Ge­richt?
Ach könnte ich ihn fal­len las­sen aus Ge­ring­fü­gig­keit.«
So­fort lehnt sich aus der An­klage der Mil­lio­närs­an­walt.
»Ein Spe­zi­al­lack­scha­den im Wert ei­nes Klein­wa­gens!«
Des Ob­dach­lo­sen Pflicht­ver­tei­di­ger sucht nach An­halt,
da die Un­zu­rech­nungs­fä­hig­keit lei­der fehl­ge­schla­gen ist.

Sich be­ra­ten, räus­pert der Rich­ter sich, um zu rich­ten:
»Werte An­wälte, der wohl­ha­bende Ih­rer Man­dan­ten
muss auf die 6000 Euro Scha­den­er­satz lei­der ver­zich­ten,
die beim Ar­men we­der beim Steu­er­zah­ler vor­han­den.
Der so­zial schwa­che Schä­di­ger des Pri­vat­ei­gen­tums hat
20 Ta­ges­sätze zu je 2 Euro zu zah­len oder er­satz­weise
ins Ge­fäng­nis zu ge­hen. Das Geld be­käme un­sere Stadt.
So lau­tet das Ur­teil, im Na­men des Volkes.«

Halb­wegs zu­frie­den ver­nimmt hoch über ei­ner Wolk’ es
Va­ter der Herr, fin­det Ge­rech­tig­keit oft nicht leicht.
Und mit die­sem kom­pli­zier­ten, dif­fe­ren­zie­ren­den Recht
ha­ben die Kin­der un­ter sich schon ein we­nig er­reicht.
Ja was zischt und schweift dort durch die Stra­to­sphäre?
Das kann wahr­lich nur kom­men von Mut­ter Na­tur,
kommt dem Glau­ben an Ge­rech­tig­keit hier in die Quere,
ein Me­teo­rit, klein, aber mit arg lan­ger Qualmspur.

Ein Vil­len­vier­tel er­bebt, klap­pert mit den Dach­zie­geln,
wie­der still im Nu. Draus auf steigt eine Rauch­säule.
Vil­len­be­woh­ner pa­nisch ihre Ein­gangs­por­tale ent­rie­geln,
schauen noch in den Tü­ren etwa wie vor ei­ner Keule
auf ein pech­schwar­zes, sehr gro­ßes Loch im Stra­ßen­rand,
an dem, un­fass­bar, zwei knall­rote Au­to­tü­ren glim­men.
Ei­nem Rest von Heck lich­ter­loh ent­flammt ein Mo­tor­brand.
Im vor­de­ren Trüm­mer­teil glüht Kof­fer­raum, von innen.

Alle an­de­ren in­des nur noch ver­blüfft, bleibt ei­ner ent­setzt.
Man hört ihn fürch­ter­lich heu­len und brül­len den Mann
jetzt, wie er, eben noch starr ge­stan­den, aus der Villa hetzt;
an die Au­to­reste, we­gen der Hitze, nicht nä­her ran kann,
zu­rück­krab­belt, vor­prescht, zu­rück, vor, zu­rück, vor, zu­rück,
ein Wahn­sin­ni­ger mit hef­tig flin­ken Ar­men und Bei­nen,
der end­lich lie­gen bleibt, nun aber raus­schreit sein Un­glück:
»Mein Fer­rari! Spe­zi­al­an­fer­ti­gung! Da­von gab es nur einen!«

»Von dem Fer­rari gab es nur ei­nen, sei­nen, wie ich weiß«,
ant­wor­tet eine schick de­signte Nach­ba­rin im 1. Ka­nal.
»Un­heim­lich. Wo­mög­lich war das ja so et­was wie ein Preis
für die Klage ge­gen den Ob­dach­lo­sen, ei­nem Skan­dal.
Zwar hat der ver­ant­wor­tungs­los ge­han­delt, aber so auch der
liebe Herr Nach­bar, den der Lack­krat­zer bil­li­ger kam
als eben der Me­teo­ri­ten­ein­schlag. Ein Na­tur­er­eig­nis, oder?
Hat doch nichts zu tun mit Gerechtigkeit?«

Der Oberflächenspecht

Mai 2007

Oben, auf dem Di­ckicht,
wo es ziem­lich dick,
aber schön dicht ist,
pickt der Oberflächenspecht.

Be­ob­ach­ter re­den schlecht
über ihn, un­ter dem
es so schön dicht ist,
so dick nur bes­ser nicht.

Ir­gendwo hätte er ja Recht,
könnte man ein­ge­ste­hen.
Puff! da muss sprü­hen
di­ckes Grün in die Sicht.

Manch ein Grün­ge­sicht
kann wie­der nur se­hen,
dass es sich wischt –
manch ei­nes auch den
Zweck des Oberflächenspechts.

Ausdrucksformen

Apr 2007

Nach­den­kend, wie­weit Aus­drucks­for­men
Form ge­ge­ben wird durch Nor­men,
bin ich un­ter­wegs mit­tels der Tram,
will ge­rade aus dem Fens­ter schauen,
schaue an ein groß­flä­chi­ges »Au­to­gramm«,
so ein Ich war hier in un­schö­nen For­men,
das in die Fens­ter­scheibe ein­ge­ritzt ist.

Erst denke ich: Dass die­ser Ich hier war,
wozu, sehe ich ja, in­ter­es­siert mich nicht,
lie­ber hätte ich un­ge­störte, klare Sicht.
Da sehe ich Spu­cke dar­über lau­fen, i –
nach ei­nem Blin­zeln aber ist sie weg.
Noch ein­mal blinzle ich nach dem Fleck.
Es muss, ähm, ge­we­sen sein eine Fan­ta­sie,
dem­je­ni­gen, mit Gruß der All­ge­mein­heit,
zu sa­gen, dass es nicht zu sein hat
eine Stra­ßen­bahn­scheibe zu zerkratzen.




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