Selbstständig. Ein richtiger Mann.
Welcher Junge will’s nicht werden?
Im Prinzip auch mein lieber Julian.
Och ja, sein Kopf is’ heut so schwer.
Wasch extra T-Shirts ihm und Socken.
Liegen in seiner Bude auf’m Boden.
Da muss ich mich wieder hinterhocken.
Draus die schmutz’gen noch vorholen.
Heut könnt’ er mal die Dielen wischen,
könnt’ vorher gleich so richtig aufräumen.
Er musste ja schließlich »Biere zischen«,
noch dazu die Wasserpfeife aufschäumen
mit seinen Kumpels, bis in den Morgen.
Die vielen Leerflaschen wären zu entsorgen.
Mit der Bitte bin ich mal nicht zu hart.
Erst mal gibt es nämlich Mittag.
Beim Jungen gäb’s nur Chips und Flips,
bä, noch getunkt in fertigen Salsadip.
Och, der Arme, hat ’nen ziemlichen Kater.
Jetzt hab ich ihm wieder ’s Essen gebracht.
Einmal wird er sich selber welches machen,
ganz bestimmt, und nicht wie sein Vater.
Dem Jungen es heut wieder geschmeckt hat.
Na, das möcht’ ich allerdings wohl meinen.
Endlich kommt er aus Bett, offenbar satt.
Och, aber noch so wacklig auf den Beinen.
Ich mach ihm die Stube. Geht ja schnell.
Kann er in Ruhe bisschen ballern am PC.
Ein Schmetterling
will ungestört umherflattern.
Laut einer Theorie
könnte er die Welt erschüttern,
durch das Flügelflattern.
Interessiert ihn nicht.
Der Verfolger nur ist hinderlich.
Ein reiner Theoretiker
schwingt und schwingt,
musste sich vom Insektologen
heimlich einen Kescher borgen,
schwingt und schwingt
fanatisch ängstlich
nach dem Schmetterling,
der in der Luft Schleifen dreht,
sich instinktiv rasant bewegt,
vor ihm weit in den Himmel entflieht.
Oje, der reine Theoretiker
verfolgt noch viele Schmetterlinge,
äußerst aktiv, damit ihm keiner
womöglich ein Unheil bringe.
»Scheißtag!« flucht ein Obdachloser aus sich raus,
innerlich die Frage, was der wohl noch bringt,
so ’n Scheißtag! Die Passanten weichen ja nur aus,
wo die Geldsammeldose ungeheuer leer klingt!
Die Decke zusammenrafft der Gute heute erbost,
wenig gebracht das Betteln, das traurig nette;
auf macht er sich, zu seinen Kumpels, auf’n Prost.
Zu begehbarem Gehweg wird die Bettelstätte.
’ne Pulle Alk eingekippt, vorm Getränkediscounter,
erblickt er aus Frust bloß Mittelschicht zuhauf.
»Gibt’s auf’m Parkplatz was zu gaffen!« posaunt er.
»Auf irgend’n flaches Auto glotzen die drauf!«
Wie man die Leute jetzt erst richtig staunen sieht,
als vor ihnen einer auftaucht, der Obdachlose,
extrem nahe an dem knallroten Ferrari vorbeizieht
und es knirscht, im Lack, die Geldsammeldose.
Ein paar grinsen, die allermeisten gucken verdattert
den Kratzer, den Obdachlosen, den Kratzer an.
Hintenher ein Einkaufswagen klimpert und rattert,
geschoben von einem Millionär, der bald kann
nicht ein Stück weiter schieben, muss bleiben stehen.
Der Übeltäter ängstlich die Atmosphäre spürt,
in der die Leute besser schon mal weiter weg gehen;
rennen will er nur, aber vor Zittern sich nix rührt.
Es springt der Millionär aus seinem starren Einhalt,
den Einkaufswagen beiseite schleudernd. Klirr,
draus schäumt ein Karton Champagner auf Asphalt.
»Wer hat meinen Ferrari zerkratzt welcher Irr’?!«
Auf den Obdachlosen zeigen einige Anwesende flugs.
»Was hast du getan! Du wahnsinniger Asozialer!«
Der schluckende Angeschriene äußert einen Glucks.
»Das ist ein Ferrari für ganze 700 000 Europataler!«
Wohnblöcke weit reicht nun des Millionärs Geschrei.
»Sie sollten sich schleunigst wieder einpegeln!«
brüllt eine Frau, äußerst selbstsicher, von der Polizei.
»Das können wir doch wie Menschen regeln!«
»Meinen Ferrari hat der zerkratzt! Da! Sehen Sie?!«
»Oha«, sagt die Polizistin, beäugend den Kratzer,
»aber dass der Arme das war, glaub’ ich Ihnen nie.«
Da rufen Leute über den Parkplatz: »Doch, er!«
Die Polizistin fragt: »Warst du es? Das bezeugen alle«,
den Obdachlosen, kennt ihn von der Streife her.
»Was ist passiert? Warum hast du das getan? Kalle.«
»Scheiße, Scheißtag, meine Dose is’ scheißleer,
wollt’ was zum Saufen mir hier kaufen und, und wollt’
denn zur Parkbank, sehen gehen meine Kumpels;
gleich war jetz’ was, was ich gemacht haben gesollt,
’s macht ’ne Scheißangst, am Herz’ rumpelt’s.«
Der Millionär noch mal über die Kratzerstelle wischt,
von der Polizistin gefragt: »Geht er wegzumachen?«
»Geht nicht, verflixter Mist, erstatte Anzeige« zischt.
»Ein so Reicher wird doch können drüber lachen?«
in der schaulustig’ Menschenmenge vorsichtig wispert.
Der obdachlose Kalle, unsicherste Freiheit sein Los,
und in der engen knisternden Situation der, der knistert,
stottert: »Herr Mi’onär! 2 Euro! Da drin in der Dos’!«
Zwei Jahre sind vergangen, als nun der Richter spricht:
»Rein formal, mutwillige Sachbeschädigung, soweit.
Weswegen muss so ein Fall kommen vor mein Gericht?
Ach könnte ich ihn fallen lassen aus Geringfügigkeit.«
Sofort lehnt sich aus der Anklage der Millionärsanwalt.
»Ein Speziallackschaden im Wert eines Kleinwagens!«
Des Obdachlosen Pflichtverteidiger sucht nach Anhalt,
da die Unzurechnungsfähigkeit leider fehlgeschlagen ist.
Sich beraten, räuspert der Richter sich, um zu richten:
»Werte Anwälte, der wohlhabende Ihrer Mandanten
muss auf die 6000 Euro Schadenersatz leider verzichten,
die beim Armen weder beim Steuerzahler vorhanden.
Der sozial schwache Schädiger des Privateigentums hat
20 Tagessätze zu je 2 Euro zu zahlen oder ersatzweise
ins Gefängnis zu gehen. Das Geld bekäme unsere Stadt.
So lautet das Urteil, im Namen des Volkes.«
Halbwegs zufrieden vernimmt hoch über einer Wolk’ es
Vater der Herr, findet Gerechtigkeit oft nicht leicht.
Und mit diesem komplizierten, differenzierenden Recht
haben die Kinder unter sich schon ein wenig erreicht.
Ja was zischt und schweift dort durch die Stratosphäre?
Das kann wahrlich nur kommen von Mutter Natur,
kommt dem Glauben an Gerechtigkeit hier in die Quere,
ein Meteorit, klein, aber mit arg langer Qualmspur.
Ein Villenviertel erbebt, klappert mit den Dachziegeln,
wieder still im Nu. Draus auf steigt eine Rauchsäule.
Villenbewohner panisch ihre Eingangsportale entriegeln,
schauen noch in den Türen etwa wie vor einer Keule
auf ein pechschwarzes, sehr großes Loch im Straßenrand,
an dem, unfassbar, zwei knallrote Autotüren glimmen.
Einem Rest von Heck lichterloh entflammt ein Motorbrand.
Im vorderen Trümmerteil glüht Kofferraum, von innen.
Alle anderen indes nur noch verblüfft, bleibt einer entsetzt.
Man hört ihn fürchterlich heulen und brüllen den Mann
jetzt, wie er, eben noch starr gestanden, aus der Villa hetzt;
an die Autoreste, wegen der Hitze, nicht näher ran kann,
zurückkrabbelt, vorprescht, zurück, vor, zurück, vor, zurück,
ein Wahnsinniger mit heftig flinken Armen und Beinen,
der endlich liegen bleibt, nun aber rausschreit sein Unglück:
»Mein Ferrari! Spezialanfertigung! Davon gab es nur einen!«
»Von dem Ferrari gab es nur einen, seinen, wie ich weiß«,
antwortet eine schick designte Nachbarin im 1. Kanal.
»Unheimlich. Womöglich war das ja so etwas wie ein Preis
für die Klage gegen den Obdachlosen, einem Skandal.
Zwar hat der verantwortungslos gehandelt, aber so auch der
liebe Herr Nachbar, den der Lackkratzer billiger kam
als eben der Meteoriteneinschlag. Ein Naturereignis, oder?
Hat doch nichts zu tun mit Gerechtigkeit?«
Oben, auf dem Dickicht,
wo es ziemlich dick,
aber schön dicht ist,
pickt der Oberflächenspecht.
Beobachter reden schlecht
über ihn, unter dem
es so schön dicht ist,
so dick nur besser nicht.
Irgendwo hätte er ja Recht,
könnte man eingestehen.
Puff! da muss sprühen
dickes Grün in die Sicht.
Manch ein Grüngesicht
kann wieder nur sehen,
dass es sich wischt –
manch eines auch den
Zweck des Oberflächenspechts.
Nachdenkend, wieweit Ausdrucksformen
Form gegeben wird durch Normen,
bin ich unterwegs mittels der Tram,
will gerade aus dem Fenster schauen,
schaue an ein großflächiges »Autogramm«,
so ein Ich war hier in unschönen Formen,
das in die Fensterscheibe eingeritzt ist.
Erst denke ich: Dass dieser Ich hier war,
wozu, sehe ich ja, interessiert mich nicht,
lieber hätte ich ungestörte, klare Sicht.
Da sehe ich Spucke darüber laufen, i –
nach einem Blinzeln aber ist sie weg.
Noch einmal blinzle ich nach dem Fleck.
Es muss, ähm, gewesen sein eine Fantasie,
demjenigen, mit Gruß der Allgemeinheit,
zu sagen, dass es nicht zu sein hat
eine Straßenbahnscheibe zu zerkratzen.