Seite 17
Alles, was schläfrig,
guter alter Wasserhahn,
spül mir aus dem Gesicht!
Nun bin ich genug erfrischt,
kannst du mich mal!
dreh ich dich auf warm
für einen schnelleren Kaffee.
Kumpel, ich weiß,
durch Rohr hinab in Kanal
dich irgendwoher speist
ein Reservoir.
Ich will frühstücken,
muss gleich zur Arbeit,
zweckmäßig, nicht wunderbar.
Manchmal ist mein Leben nur Mechanik,
wenn seine Zahnräder mir aufleuchten,
dabei allesamt einzeln sich kaum drehen,
ausgerechnet zur Antriebslosigkeit surren.
Alles wirkt dann sinnlos nebeneinander,
ganz unverbunden; ein gewisses »Ran da«
in mir ein kurzzeitiges Rettungsmurren.
Woran aber sollte ich an das Nebeneinander?
frage ich mich, fern daran mir ein Wofür –
wie nahe die Pforte, das Leben zu verlassen?
Nein, dann erscheint mir immer eine Tür,
eine in dem Moment noch kleine blasse,
hinter der, wie ich mich erinnere, des Lebens
Zahnräder unsichtbar ineinander greifen.
Ich gestehe: Was weiß ich in dem Moment
die Tür, etwa so wie früher? zu erreichen.
Hat alles keinen Sinn – mit jenem Worte
bin ich dennoch auf einmal hindurchgegangen,
wo ich, o Mann, immer noch allzu befangen,
klingle bei einem alten Bekannten »rrr, rrr«;
auch er mich nie ganz verstanden, ein wenig nur.
Kerstin hat soeben ihren Esoterikladen zugemacht,
ist nun anderswo sehr beschäftigt, wie zu erwarten,
von der Ehefrau-Mutter-Disharmonie dazu gebracht,
ortet die energetischsten Anpflanzstellen im Garten.
Gerade aufgestanden, setzt Walter Kaffeewasser auf,
sieht ’ne verrückte Fee rumwuseln vorm Abendgrau.
Schon lange ist er Feenhasser und kommt jetzt drauf:
Die da im Garten ist seine immer beschäftigte Frau.
O nein. Hat sie nicht zu tun? Sie kommt schon rein.
»Guten Abend Walter, auch schon unter den Wachen?
Langschläfer du. Soll ich nicht mal die Hand auflegen?
dir einen Energieausgleich machen.« Wildes Fuchteln.
»Lass mich endlich in Ruhe! sag ich dir, und schnall’s!
Du mit deinem Mineraliengebaumel um den Hals.«
Das war’s vorläufig mit dem Voneinander-Sprechen;
mehr davon könnte sich im Ehealltag rächen.
Beider Miteinander braucht jedoch einen Gegenstand.
Als jener ist sehr bald das Thema Sohn zur Hand,
denn Mutter Kerstin fragt: »Wo ist denn unser Bube?«
Vater Walter sagt: »Na vermutlich in seiner Stube.«
Sohn Paul liegt rum, gestört hört jemanden kommen.
Die Alten? Etwa gemeinsam? Au Backe! au Backe!
Gemeinsam sie ihm in Erinnerung nur verschwommen.
’s müsse was Ernstes sein; er besser schon mal packe.
»Hallo Sohn«, grüßen die Eltern arschnett. Mutter
bemerkt: »Versteckst dich gar nicht mehr unterm Bett.
Wie ich’s vorausgesehen, mit dir wird alles in Butter.«
Paul ist ganz Misstrauen. »Ihre dämliche Glaskugel«,
meint Vater. »Aber nicht klarkommen mit Google.
Sohn, also, wir sind hier, weil … ähm, mal schauen.«
»Sohn, wie sag ich’s? Ist jetzt doch ziemlich schwer«,
bringt Vater heraus, »dein Achtzehnter ist längst über
über eine Woche her. Und deine Mutter findet: Such
dir ’nen Job und ’ne Wohnung, zieh demnächst aus.«
Mutter zum Sohn: »So hab ich es nie gesagt! hui.
Werd dir deine erste ausrichten nach Fengshui.«
»Und ihr nennt euch Eltern! Haltet bloß die Backen!«
brüllt Paul, der es hier schon lange kaum noch aushält,
der all seinen Mut zusammennimmt, dabei ist zu packen
fürchtend die fremderen Fremden, jene der Außenwelt.
Ich denke, unbeteiligt keinen Außenstehenden verleidet,
wenn ich sage: Paul steht vorm Leben sehr unvorbereitet.
Der Junge nicht dumm, nur teils ein komischer Kautz ist –
hinter dem sich das Elternhaus gerade auflöst.
knackig und ungebunden
saftig fester Rundungen
unter geschütteltem Baum
einst gelegen
sich beobachten lassen
meinen Appetit
lieblich genossen
glänzend nackt
ihren süßen Geschmack
geflüstert
ach wäre ich
nicht so schüchtern
auf Brechen und Biegen
den einen
oder anderen Tag
über den Zaun gestiegen
leider ungekostet
die Muse
mit der Zeit
bloß so im Grase
vermostet
In den Baumkronen sprießen die Knospen.
Darunter geht ein Paar spazieren.
Da muss sie ihm nun protestieren:
»Es ist Frühling, Gert, und wir rosten.«
»Lisa, wunderschön sprießende Knospen.
Und du fängst hier an mit Sachen,
die uns bloß unglücklich machen.
Ich will die frische Frühlingsluft kosten.«
»Na dann, Gert, viel Freude beim Kosten!«
wünscht sie ihm ziemlich laut,
wie er nun ganz plötzlich schaut
Lisa an, nicht mehr seine lieben Knospen.
»Sei bitte«, flüstert er, »nicht so laut, du.
Das ist mir hier nicht das Wahre.
Im Park sind noch andere Paare,
und die Brise weht es denen buchstäblich zu.«
Da fragt Lisa ihren Gert, schön leise:
»Gehören wir eigentlich noch zusammen?«
und damit er ihr das wieder beweise,
lässt sie sich fallen, er dürfe sie auffangen.
»Es darf«, stammelt er, »nicht wahr sein«,
offensichtlich will er sich ducken,
war, ob keiner guckt, sich umgucken –
und nun liegt seine Frau einfach im Rasen.
»Was für ein Mann, ich krieg blaue Flecken«,
sagt sie spöttisch vom Rasen herauf,
wollte doch aber Frühlingsgefühle wecken,
ächzt sodann, stützt sich mit den Ellen auf.
Gert sagt, lässt ein Lächeln um sich fliehen:
»Du weißt doch, wie sehr ich dich lieb hab.
Komm, wir machen dir schnell das Gras ab!«
Jetzt macht er Anstalten, sie hochzuziehen.
Ihr schlanker Körper sich biegt und entwindet.
»An mir, Liebster, haftet noch gar kein Gras!«
Sie krallt sich in den Rasen, ihr Mann schindert.
»Jetzt erst wird’s, haha, was für’n Spaß!«
Jedes Mal lachen, wenn er sich ihr nachbückt,
Zuschauer, ist er sich sicher, ruft allen:
»Frauen, solltet ihr wissen, sind verrückt!«
lässt sich – dann eben neben seine fallen.