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Ausdrucksformen

Apr 2007

Nach­den­kend, wie­weit Aus­drucks­for­men
Form ge­ge­ben wird durch Nor­men,
bin ich un­ter­wegs mit­tels der Tram,
will ge­rade aus dem Fens­ter schauen,
schaue an ein groß­flä­chi­ges »Au­to­gramm«,
so ein Ich war hier in un­schö­nen For­men,
das in die Fens­ter­scheibe ein­ge­ritzt ist.

Erst denke ich: Dass die­ser Ich hier war,
wozu, sehe ich ja, in­ter­es­siert mich nicht,
lie­ber hätte ich un­ge­störte, klare Sicht.
Da sehe ich Spu­cke dar­über lau­fen, i –
nach ei­nem Blin­zeln aber ist sie weg.
Noch ein­mal blinzle ich nach dem Fleck.
Es muss, ähm, ge­we­sen sein eine Fan­ta­sie,
dem­je­ni­gen, mit Gruß der All­ge­mein­heit,
zu sa­gen, dass es nicht zu sein hat
eine Stra­ßen­bahn­scheibe zu zerkratzen.

Selbststudie Pegasus 4

Apr 2007

Dok­tor Ses­sel­hu­ber mein Name,
Hu­man­me­cha­nik mein Fach­be­reich.
Jüngst sprach ich an eine Dame.
Schwie­rig war es, sie wurde bleich.

So et­was Un­kal­ku­lier­ba­res pas­siert,
wenn ich von mei­nem Fach aus­weich’
in ei­nen mir frem­den Le­bens­be­reich –
hat sie nicht ein­mal mehr interessiert.

Ich kann von Ge­nese bis zu post mor­tem
dem Fach­um­feld al­les be­ant­wor­ten,
was neu­er­dings dazu führt, dass Kol­le­gen
mir so­ge­nannte Hob­bys angeben.

Ich sei of­fe­ner ge­wor­den, sa­gen sie jetzt.
Habe mir ei­nes die­ser Hob­bys ge­setzt,
schreibe Ly­rik; denke, ich spür’ mich.
Mess­werte wa­ren nie so verführerisch.

Mein Hobby treibt mich aus dem La­bor,
seit jüngst, zu un­ge­ahn­ten Re­cher­chen.
Bin Lie­bes­paa­ren, sa­lopp, ganz Ohr,
will die Kräfte wis­sen, die da herrschen.

Lie­bes­paare sind kaum zu ka­te­go­ri­sie­ren,
ergo, zwin­gen ei­nen zum Fan­ta­sie­ren.
Liebe, sagte ich, ein funk­tio­na­les Ge­füge.
Die Lie­bes­paare aber nann­ten es eine Lüge.

Kei­nes­wegs wollte ich, dass sie die Flucht
er­grei­fen, ver­si­cherte, ich wolle rei­fen,
hatte ge­fa­selt ir­gend­et­was von Auf­zucht,
es poe­tisch nach­for­mu­liert zur Liebesfrucht.

Ge­fühl über die Hu­man­me­cha­nik hin­aus
zu ent­wi­ckeln, ist eben nicht mein Fach.
Aber die stu­pide Fach­si­cher­heit, o Graus,
die ist für mich längst bloß noch einfach.

Der Habicht

Apr 2007

Vor ei­nem Wäld­chen, auf ei­ner Wiese,
steht spä­hend Vo­gel­kund­le­rin Gabi
ne­ben ih­rer fünf­jäh­ri­gen Toch­ter Liese,
die fragt: »Wo ist der große Habi?«

»Lies­chen, schau! die Am­sel­mut­ter.
Die sü­ßen Jun­gen krie­gen jetzt Fut­ter!«
Lie­ses Fern­glas wan­dert hin und her,
den Habi wie­der se­hen will sie so sehr.

»Mami, der Habi! Ui, ist der schnell.«
Ga­bis Feld­ste­cher schwenkt auf der Stell’.
»Ja, Lies­chen, ein Ha­bicht im Jagd­flug.«
»Mami, der greift ei­nen klei­nen Vo­gel an!«
»Schau weg, Lies­chen! für dich ge­nug!
Och Lies­chen, ja, der arme Amselmann.«

Im Wäld­chen kreischt das kleine Nest
und Gabi um­armt ihre Toch­ter ganz fest,
die ihr in die Schul­ter schluchzt: »Nein!
Jetzt sind die Am­sel­kin­der so allein.«

»Lies­chen, ihre Mut­ter ha­ben sie noch.
Und wir sind auch al­lein. Weißt du doch.«
»Mami, habe ich mei­nen Papa nicht,
weil den auch ge­schnappt hat der Habicht?«

Die Unverständnistreppe

Feb 2007

 

Ein Verspaar

kühn schrei­tet,

stellt der­art was dar,

ein zwei­tes begleitet,

was dann auch wunderbar

noch ein wei­te­res verleitet.

»Wo sind wir denn auf der Trepp’?«

fragt das erste beim nächs­ten Schritt.

»Sehr sinn­voll, nu ver­steht uns kein Depp!«

ruft das dritte, gibt dem vier­ten ei­nen Tritt.

Komische Volksballade

Feb 2007

Längst er­wach­sen me­ckert Häns­chen,
sie wüch­sen nicht, je­doch er ackere,
rupft ewig nur ma­gere Pflänz­chen,
stopft sie zor­nig in seine Schubkarre.

Wie oft er be­ackere sei­nen Acker
für seine lahm­wüch­si­gen Pflänz­chen;
war­ten, o war­ten, wäre allzu wa­cker,
grö­ßer wür­den sie näm­lich nie, denn
Häns­chen will zei­tig ver­sorgt sein,
Wach­sen aber bringt schnell Sorge ein.

Ach ein Lied da­von er sin­gen könne,
klagt Häns­chen über seine Pflänz­chen.
»Na dann end­lich dir ein Lied gönne!«
ruft, von dem Nachbar-Acker, Hans,
der lang­sam nicht mehr hö­ren kann’s.

Dass doch aber kein Lied ver­gnüge,
me­ckert Häns­chen, ihm doch ge­nüge
schon lange nicht mehr, was er ernte;
sieht auf sein Pflänz­chen­häuf­chen, dem
auch noch das Me­ckern was ent­fernt hat.

Ohne Lied muss Häns­chen bald tan­zen,
we­gen Hans, meint er aus schie­rer Wut,
al­lein schon we­gen des Hans Pflan­zen,
im­mer seien die groß, kräf­tig, so gut.

»Aber Häns­chen, doch nicht im­mer!«
ruft Hans. »Schau ge­nau her!
Viele kleine schaf­fen es mir nim­mer!
Ver­such dir bitte vor­zu­stel­len,
die gro­ßen hat­ten es folg­lich schwer!«

Hin­schau­end, be­ru­higt sich Häns­chen,
ja, ihm selbst ge­die­hen alle Pflänz­chen.
Aber trotz­dem dürfe ihm sa­gen Hans,
wie nur ge­linge zum Bei­spiel so eine,
diese da, eine so schöne große Pflanz’.

»Diese Pflanz’«, er­zählt ihm Hans,
»ist mir Ar­beit ge­we­sen bis zum Lied,
Schmerz, tief und un­aus­weich­lich,
heute große Freude nach sich zie­hend,
wie sie mit ei­ni­gen an­de­ren er­blüht,
um­ge­ben von Pflänz­chen reichlich.«

Wozu bloß habe er eine Frage ge­stellt,
wen­det Häns­chen ver­ständ­nis­los ein,
was solle das für eine Ant­wort sein;
die An­lei­tung für die Pflan­zen­wuchse
er darin doch völ­lig ver­ge­bens su­che,
Hans rede ja nur von sich und der Welt.

»Weißt du«, er­wi­dert Hans, »ich mag,
wenn je­mand be­wusst von sich er­zählt,
nicht vom Acker me­ckert Tag für Tag.
Ich weiß längst, dass dich was quält.«

Häns­chen meint, Hans habe eine Ma­cke.
Man müsse me­ckern über den Acker.
Nichts sei an­stren­gen­der, zu­mal we­ni­ger
ein­brin­gen­der als der ei­gene An­bau,
und Hans mit der Große-Pflanzen-Schau
habe ja nur Glück als … als Romantiker.

»Okay Häns­chen, komm rü­ber, pflück«,
for­dert Hans ihn eben ganz ein­fach auf.
»Und pflück dir gleich meine Al­ler­beste.
Fin­dest eine, änderst du mein Welt­bild
und ich steck sie dir an die Arbeitsweste.«

Sa­gend: Ein sol­ches An­ge­bot im Le­ben
könne man doch ein­fach nur an­neh­men,
ist Häns­chen schon un­ter­wegs, be­tritt
den Hans-Acker, uh, mit Wan­ke­schritt;
Bo­den habe er aber schon fes­ter erlebt.

Häns­chen greift nach der größ­ten Pflanz’,
schön selbst­ver­ständ­lich, aber da­ne­ben.
Na nu, sie habe sich vor ihm weg­ge­bo­gen,
ver­si­chert er, und beim nächs­ten Griff:
Da, schon wie­der habe sie es, un­ge­lo­gen.
Um ihre Größe habe sie ihn eh betrogen.

»Gar ein­fach ge­nom­men für sich al­lein«,
sagt Hans nach­denk­lich zu Häns­chen,
»wäre jede noch so große Pflanze klein.«
Der geht zu­rück zu sei­nen Pflänz­chen.
Na ja, sei mal ge­we­sen ganz in­ter­es­sant,
räumt er den­noch ein dem gu­ten Hans.

Ein au­ßer­or­dent­li­cher Hans, ler­nend,
was selbst Häns­chen lernt nim­mer­mehr,
dem Volks­mund aus­nahms­weise ver­quer.
Häns­chen ern­tet lie­ber wei­ter­hin sicherer.




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